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Wie die Arbeitslosigkeit erfunden wurde


Der Übergang von einer Gesellschaft mit noch vorhandenen Nischen der Subsistenzwirtschaft zu einer Industriegesellschaft, wie ihn Polanyi für das frühkapitalistische England mit dem Verschwinden der „enclosures“ beschreibt und wie er das Muster für gleichartige Übergänge auf der ganzen Welt bildet, lässt sich konzeptionell auch als Entstehung eines geschlossenen Geldwirtschaftssystems verstehen.


Der allmähliche Verlust feudaler Bindungen im Zuge neuer auf Effektivität abzielender Anbau­methoden und die Bereinigung der Eigentumsverhältnisse an bislang öffentlich – also von jedermann – genutzten Flächen schaffen um den Preis physischen Überlebens den Zwang zu systematischer Erwerbsarbeit gegen Lohnentgelt. Die nach diesem Phänomen benannte Landflucht setzt ein.


Wenn es im Rahmen der Subsistenzwirtschaft noch darauf ankam, Naturalien zu ergattern, kommt es für den von den Möglichkeiten der Subsistenz Abgeschnittenen darauf an, Geld zu verdienen, um sich die für das eigene Überleben notwendigen Naturalien, die nun von anderen erzeugt werden, mit Geld kaufen zu können.


Es handelt sich auf der Ebene der Privatpersonen um denselben Übergang von einem Naturalversorgungssystem auf ein Geldversorgungssystem, wie es hier für den Übergang des Staates von einem System der Naturalabgaben auf Geldsteuern beschrieben haben.


In dem Zwang, die eigene Existenz über die Beschaffung von Geld, also den permanenten Verkauf der eigenen Arbeitskraft, zu sichern, offenbart sich, dass die Geldwirtschaft ein System internalisierter Zwangsgewalt darstellt. Wer das übertrieben findet, mag sich vergegenwärtigen, dass nackte Existenzangst und der damit verbundene Begriff der „Arbeitslosigkeit“ im vorherigen System der Subsistenzwirtschaft unbekannt waren. Zeiten des Hungers und der Not mit ihren natürlichen Ursachen wurden nicht als individuelles, sondern als kollektives Schicksal empfunden.

Ohne Geld keine Arbeitslosigkeit – und kein modernes Wirtschaftssystem.


(Erklärung zum Bild: unserer Webhoster bietet Hunderte kostenlose Fotos an zu Themen wie Fitness oder Lifestyle, jedoch keines zu Arbeitslosigkeit oder Arbeitsteilung. Das Foto zeigt einen Camper beim Kochen und nimmt Bezug auf die im Artikel erwähnte Subsistenzwirtschaft, nicht auf die Arbeitslosigkeit.)

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