top of page

Wat isn‘ ne Dampfmaschin‘?


Wenn es darum geht, der politischen Klasse (und allen Bitcoin-Fans, die sich Sorgen um die staatliche Verschuldung machen) zu erklären, dass Geld und Schulden ein und dasselbe sind, ist klassische Pädagogik nach Art der „Feuerzangenbowle“ vielleicht nicht das schlechteste.

Was also sind Staatsschulden? „Da stelle ma‘ uns mal janz dumm“ …


… und überlegen uns, was passieren würde, wenn in einer geschlossenen Volkswirtschaft oder in allen Volkswirtschaften auf der Welt endlich der von vielen heiß herbeigesehnte Zustand erreicht wäre, dass alle öffentlichen und privaten Kreditschulden zurückgezahlt wären.


Zur Verblüffung aller „Schööler“ wäre dann der Zustand erreicht, dass absolut kein Geld mehr in Umlauf wäre und eine Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes ausbrechen müsste (es sei denn, man vertritt mit gewissen Vertretern der Ökonomenzunft die Auffassung, Geld sei für unser Wirtschaftssystem ohne jede Bedeutung. Die betreffenden Schööler mögen bitte den Unterricht wegen erwiesener geistiger Unreife sofort verlassen).


Zur Erklärung:


„Echtes Geld“, das heißt Bargeld,  stellt nur die Zentralbank her.


Bargeld kommt allerdings selten direkt in Umlauf, sondern meistens über Kontoguthaben bei der Zentralbank, sogenannten Reserven, die einen Anspruch auf Auszahlung von Bargeld durch die Zentralbank vermitteln.


Reserven – und das ist wichtig – sind also eine Verbindlichkeit der Zentralbank, weil die Zentralbank an ihre Inhaber Bargeld leisten muss.


Wer Reserven haben will, muss der Zentralbank eine Gegenleistung anbieten, ihr also im weitetesten Sinne etwas verkaufen.


Will also der Staat Reserven haben, „verkauft“ er der Zentralbank eigene Staatsanleihen, in denen er Rückzahlung der Reserven zuzüglich irgendeines Zinsaufschlags verspricht. Die Zentralbank braucht keine Bedenken zu haben, dass der Staat die Reserven, b.z.w. den darin verkörperten Anspruch auf Bargeld, nicht zurückzahlen kann – schließlich kann sie dem Staat ja unbegrenzt neue gutschreiben.


Dieselbe Überlegung gilt aber auch umgekehrt: Der Staat weiß, dass die Zentralbank immer genug Reserven haben wird, um ihn zu refinanzieren, weil er selbst - genau wie die Zentralbank Reserven – unbegrenzt Staatsanleihen hat b.z.w. herstellen kann, die er an die Zentralbank verkauft.

Auf den Punkt gebracht kann man also sagen, dass die Zentralbank ihre Reserven an den Staat und der Staat seine Staatsanleihen an die Zentralbank verkauft. 


Bilanziell (von italienisch: bilancia, die Waage) steht jeder Bereitstellung von Reserven als Verbindlichkeit der Zentralbank also eine Forderung der Zentralbank an den Staat aus Staatsanleihen  gegenüber. Auf den Staat bezogen steht jeder Staatsanleiheverbindlichkeit eine Forderung auf Bargeld gegen die Zentralbank gegenüber.


Geld, also die Verbindlichkeit (=Schuld) der Zentralbank aus den Reserven entsteht also durch die Verschuldung des Staates – oder gar nicht, einfach deshalb, weil die Zentralbank bilanziell kein Geld verschenkt.


Lassen wir für unsere Modellüberlegung die Geschäftsbanken, die in Form von Giralgeldguthaben  auch nur Ansprüche auf Bargeld erzeugen, die allerdings nicht so sicher sind wie die auf Grund von Reserveguthaben, außer Acht und fragen uns, woher es eigentlich kommt, dass wir alle (mehr oder weniger) Euro auf unseren Geschäftsbankkonten (also Anspruch auf Bargeld in dieser Höhe gegen die Geschäftsbank) haben, die wir keiner Bank zurückzahlen müssen, sondern die zu unser freien Verfügung stehen?


Woher stammt dieses Geld, für das wir persönlich keinen Kreditvertrag abgeschlossen haben? Hat am Ende doch die Zentralbank „Geld“ einfach mal so verschenkt?


Keineswegs. Vielmehr entspricht der Betrag des Nettogeldvermögens im Privatsektor (der Summe aller nationalen Haushalte außer dem des Staates) einer geschlossenen Volkswirtschaft mit nationaler Währung genau der Summe der refinanzierten, also per saldo nicht zurückgezahlten Summe der Staatsanleihen gegenüber der Zentralbank. Das Nettogeldvermögen im Privatsektor ist das, was der Staat „auf Pump“ ausgegebenen und nicht zurückgezahlt hat.


In einer geschlossenen Volkwirtschaft sind die „freien Euro“ auf unseren Konten deshalb Stück für Stück nicht zurückgezahlte „Staatsverschuldung“ (jedenfalls soweit es sich nicht um Giralgeld aus privater Verschuldung handelt, die wir außer Acht lassen).


Der Privatsektor verfügt genau in der Höhe über Nettogeldvermögen, in der sich  der Staat durch Kreditaufnahme verschuldet hat, das heißt mehr Geld im Privatsektor vorhanden ist, als nach Verrechnung aller gegenseitigen Schulden im Privatsektor verbleibt.


Gleichzeitig gilt hinsichtlich der jeweils aktuell vorhandenen Gesamtgeldmenge (wenn wir also die Geschäftsbanken mit betrachten), dass sie sich aus ungetilgter staatlicher Kreditaufnahme und ungetilgter privater Kreditaufnahme zusammensetzt.


Defizitäre Staatshaushalte mit der daraus resultierenden Erhöhung der Staatsverschuldung schaffen somit die Voraussetzung für das steigende Nettogeldvermögen des Privatsektors und die Möglichkeit positiver Nettovermögen bei einzelnen Haushalten ohne dass diese innerhalb des Privatsektors automatisch durch Schulden anderer Haushalte ausgeglichen werden müssen.

Die Staatsverschuldung „verdünnt“ (puffert) im Ergebnis die private Verschuldung und stellt so einen Wohlstands- und Wohlfahrtsgewinn für den Privatsektor (die Staatsbürger) dar.


Die spannende Frage für die Hausaufgaben zum Schluss: Wenn Reserven Verbindlichkeiten der Zentralbank sind und daher auf der Passivseite ihrer Bilanz verbucht werden, welche Verbindlichkeit verkörpert dann das durch die Zentralbank direkt oder im Tausch gegen Reserven ausgegebene Bargeld, das ebenfalls auf der Passivseite der Bilanz verbucht wird?


Was schuldet die Zentralbank, wenn das von ihr ausgegebene Bargeld Schulden sind?   


Große Nachdenkpause.

26 Ansichten
bottom of page