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USA vs UK: Kann eine Regierung Pleite gehen?


Eine der wesentlichen Fragen der Gestaltung der Wirtschaftspolitik betrifft die Fiskalpolitik. Der Staat kann durch höhere Ausgaben direkt Einkommen bei den Haushalten und Firmen generieren oder durch niedrigere Steuern die Kaufkraft dort erhöhen, so dass theoretisch mehr Ausgaben des privaten Sektors zu mehr Einnahmen führen, wodurch das Bruttoinlandsprodukt steigen würde.


Während meiner Meinung nach die Geldtheorie eindeutig sagt, dass Staaten nicht Pleite gehen können, sofern sie sich in eigener Währung verschulden, ist die Position der Zeitungen in den USA eher gespalten. Ende Oktober veröffentlichten die beiden großen New Yorker Zeitungen Wall Street Journal (WSJ) und New York Times (NYT), die beide als Finanzmarkt-nah gelten, unterschiedliche Sichtweisen. Bei der NYT wurde dem ehemaligen Zentralbankpräsidenten der USA, Paul Volcker, und Peter Peterson, dem Präsidenten einer Lobbygruppe, Platz eingeräumt. Dort hieß es dann:


Our current debt may be manageable at a time of unprecedentedly low interest rates. But if we let our debt grow, and interest rates normalize, the interest burden alone would choke our budget and squeeze out other essential spending. There would be no room for the infrastructure programs and the defense rebuilding that today have wide support.


It’s not just federal spending that would be squeezed. The projected rise in federal deficits would compete for funds in our capital markets and far outrun the private sector’s capacity to save, to finance industry and home purchases, and to invest abroad.


Auf Deutsch etwas verkürzt übersetzt: hohe Staatsverschuldung führt bei wieder normalen Zinsen zu steigenden Haushaltsdefiziten des Staates und diese Zinszahlungen und jegliche Defizite würden private Investitionen verdrängen. Diese Sicht der Dinge passt allerdings nicht zu dem, was das WSJ schreibt:


Among facts that take a stubbornly long time to sink in, here’s one: Countries that borrow in their own currencies never have to default on their debt.


The last few months have tested this notion again. When the U.K. was about to vote on its membership of the European Union, some investors and analysts warned that scared foreigners could dump British sovereign bonds, driving the government’s borrowing costs to skyrocket.


They were wrong. The day after Brexit, gilt prices rose 3.5%.


Zu den Fakten, die lange Zeit brauchen, um durchzusickern gehört auch dieser: Länder, die sich in ihrer eigenen Währung verschulden, müssen niemals bankrott gehen. In den letzten Monaten wurde dieser Fakt wieder auf eine Probe gestellt. Als Großbritannien kurz vor der Wahl stand, aus der EU auszutreten, warnten einige Investoren und Analysten davor, dass Ausländer die britischen Staatsanleihen verkaufen würden und dadurch die Zinslast der britischen Regierung stark ansteigen würde. Dies war falsch. Am Tag nach dem Brexit stiegen die Preise der britischen Staatsanleihen um 3.5% [Anm. D. Ehnts: wodurch die effektive Verzinsung fiel].


Meiner Meinung nach liegt das WSJ richtig, und die Autoren in der NYT liegen falsch. Außerhalb der Eurozone hat keines der anderen modernen Industrieländer Probleme mit steigenden Zinsen gehabt: überall wurden die Zinsen auf Null reduziert oder stark gesenkt, keine Zentralbank stand vor Problemen bei der Zinssenkung. Weder in Schweden, Dänemark, Japan, Kanada, Australien, Neuseeland oder auch in China verloren die Zentralbanken die Kontrolle über die langfristigen Zinsen. Im Gegenteil: die japanische Zentralbank hat nun den Zielwert der Verzinsung von 10-jährigen japanischen Staatsanleihen auf 0,0% festgesetzt. Bisher hat die Zentralbank ihre Idee durchgesetzt - die Verzinsung liegt knapp unter aber nahe bei Null Prozent.


Es ist interessant, dass langsam die Erkenntnisse der Ökonomie Eingang finden in die öffentliche Debatte über Währungen und Staatsverschuldung. In Deutschland habe ich Ähnliches bisher leider noch nicht beobachten können. Sobald ich etwas sehe, werde ich es an dieser Stelle veröffentlichen.

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