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Modern Monetary Theory und alternative Wechselkursregime

Jeden Freitag veröffentlichen wir einen kurzen Beitrag von Randall Wray, der schrittweise eine umfassende Theorie aufbaut, wie Geld in souveränen Ländern "funktioniert". Die Beitragsserie entstammt der Einführung in die "Modern Monetary Theory" (MMT) von Randall Wray aus dem Jahre 2011 auf der Website „New Economic Perspectives“ und wurde von Michael Paetz und Robin Heber ins Deutsche übersetzt. Zudem wird Vorstandsmitglied Dirk Ehnts jeden Freitagabend von 19-20 Uhr auf Facebook Fragen zum Beitrag der Woche beantworten. Ihr könnt uns natürlich auch gerne Fragen über das Emailformular (unten auf dieser Seite) schicken.


Flexible vs. feste Wechselkursregime

Die vorherigen Beiträge waren ziemlich allgemein gehalten. Die Inhalte gelten für alle Länder, die eine eigene Währung verwenden. Es spielt keine Rolle, ob diese Währungen an eine Fremdwährung oder an ein Edelmetall gebunden sind oder ob sie sich mittels der Gesetze von Angebot und Nachfrage frei am Markt bewegen – die Prinzipien sind die gleichen. In diesem Beitrag werden wir untersuchen, welche Implikationen verschiedene Wechselkursregime für unsere Analysen haben.

Nehmen wir den Fall von Regierungen, die nicht versprechen, ihre Währungen auf Nachfrage in Edelmetalle oder irgendetwas anderes umzuwandeln. Wenn eine 5-Dollar-Note dem US-Finanzministerium vorgelegt wird, kann sie zur Zahlung von Steuern verwendet werden oder sie kann gegen fünf 1-Dollar-Scheine (oder eben für eine Kombination von Banknoten und Münzen die sich auf insgesamt 5 US-Dollar aufsummiert) eingetauscht werden – aber die US-Regierung wird sie nicht in etwas anderes umwandeln.

Darüber hinaus verspricht die US-Regierung nicht, den Wechselkurs des US-Dollar auf einem bestimmten Niveau festzusetzen. Wir können den US-Dollar als Beispiel für eine souveräne Währung bezeichnen, die nicht konvertierbar ist, und wir können sagen, dass die USA mit einem flexiblen Wechselkurs arbeiten. Beispiele für solche Währungen sind der US-Dollar, der Australische Dollar, der Kanadische Dollar, das britische Pfund, der japanische Yen, die türkische Lira, der mexikanische Peso, der argentinische Peso usw.

In den folgenden Abschnitten werden wir zwischen souveränen, nicht konvertierbaren flexiblen Währungen und solchen Währungen, die zu festen Wechselkursen konvertierbar sind, unterscheiden.

Der Goldstandard und feste Wechselkurse

Vor einem Jahrhundert arbeiteten viele Nationen mit einem Goldstandard, bei dem das Land nicht nur versprach, seine Währung gegen Gold einzulösen, sondern auch, dies zu einem festen Wechselkurs durchzuführen.

Ein Beispiel für einen festen Wechselkurs ist das Versprechen, 35 US-Dollar in eine Unze Gold umzuwandeln. Viele Jahre lang war dies in der Tat der offizielle US-Wechselkurs. Andere Nationen bestimmten ebenfalls feste Wechselkurse, die den Wert ihrer Währung entweder an Gold oder nach dem Zweiten Weltkrieg an den US-Dollar knüpften.

Zum Beispiel betrug der offizielle Wechselkurs für das britische Pfund 2,80 US-Dollar. Mit anderen Worten, die Regierung des Vereinigten Königreichs würde 2,80 US-Dollar für jedes britische Pfund bereitstellen, das zum Eintausch vorgelegt wird. Bei einem internationalen System fester Wechselkurse wird der Wert einer jeden Währung im Verhältnis zu allen anderen Währungen des Systems fixiert.

Um sein Versprechen, die Währung zu festen Wechselkursen einzutauschen, auch stets einhalten zu können, musste das Vereinigte Königreich eine Reserve von Fremdwährungen (und/oder Gold) halten. Würden viele britische Pfund zum Eintausch vorgelegt, könnten die Devisenreserven [Anm. der Red.: Forderungen in ausländischer Währung] des Vereinigten Königreichs rasch aufgebraucht werden.

Es gab eine Reihe von Maßnahmen, die von der britischen Regierung ergriffen werden konnten, um zu vermeiden, dass ihnen die Devisenreserven ausgehen, aber keine von ihnen war sehr angenehm. Dazu im Detail später mehr. Es standen im Wesentlichen drei Optionen zur Auswahl: a) Abwertung des Pfundes; b) Fremdwährungsreserven leihen; oder c) die Wirtschaft deflationieren.

Im ersten Fall ändert die Regierung das Umrechnungsverhältnis auf z. B. 1,40 US-Dollar pro britischem Pfund. Auf diese Weise verdoppelt sie effektiv ihre Reserve, weil sie nur halb so viel Fremdwährung gegen das Pfund zur Verfügung stellen muss. Leider könnte ein solcher Schritt der britischen Regierung das Vertrauen in die britische Regierung und in ihre Währung verringern, weshalb mehr Menschen ihre Pfund gegen Gold einlösen würden.

Im zweiten Fall leiht sich die Regierung Fremdwährungen, um die Forderungen nach Währungskonvertierung zu erfüllen. Dies setzt willige Kreditgeber voraus und führt zu einer Verschuldung des Vereinigten Königreichs, auf die Zinsen gezahlt werden muss. Zum Beispiel könnte sie sich US-Dollar leihen, würde sich damit aber verpflichten, Zinsen in Dollar zu zahlen – eine Währung, welche die britische Regierung nicht ausstellen kann.

Schließlich kann die Regierung versuchen, die Wirtschaft zu deflationieren bzw. die Konjunktur abzukühlen. Es gibt eine Reihe von politischen Maßnahmen, die dazu genutzt werden können, die Wirtschaft zu bremsen – die Idee dahinter ist, dass ein langsameres Wirtschaftswachstum im Vereinigten Königreich die Importe von Waren und Dienstleistungen im Vergleich zu Exporten verringern wird. Dies wird es dem Vereinigten Königreich ermöglichen, einen Einnahmeüberschuss gegenüber dem Ausland zu erreichen und Devisenreserven anzuhäufen.

Der Vorteil ist, dass das Vereinigte Königreich so Devisen erhält, ohne Schulden machen zu müssen. Der Nachteil ist jedoch, dass das Wirtschaftswachstum im Inland geringer ist, was in der Regel zu einer geringeren Beschäftigung und einer höheren Arbeitslosigkeit führt.

Beachten Sie, dass eine Deflationierung der Wirtschaft in Verbindung mit einer Währungsabwertung, einen Nettoexportüberschuss erzeugen kann. Dies liegt daran, dass eine Währungsabwertung die inländische Produktion für Ausländer billiger macht (sie müssen beim Kauf weniger ihrer eigenen Währung pro britischem Pfund einsetzen), während die ausländische Produktion für britische Einwohner teurer ist (es braucht mehr Pfund, um etwas zu kaufen, das in ausländischer Währung angeboten wird).

Das Vereinigte Königreich könnte auch eine Kombination aller drei Maßnahmen nutzen, um die Nachfrage nach Währungsumtauschen zu decken und gleichzeitig seinen Anteil an US-Dollar und anderen Fremdwährungen zu erhöhen.

Flexible Wechselkurse

Seit den frühen 1970er Jahren operieren die USA und die meisten entwickelten Länder jedoch mit einem System flexibler Wechselkurse, in dem die Regierung nicht mehr verspricht, US-Dollar zu bestimmten Kursen umzutauschen.

Natürlich ist es einfach, den US-Dollar oder jede andere wichtige Währung bei Privatbanken und an Terminals auf internationalen Flughäfen einzutauschen. Die Währungsumrechnung erfolgt zum aktuellen, auf den internationalen Märkten festgelegten Wechselkurs (abzüglich der für die Transaktionen erhobenen Gebühren). Diese Wechselkurse schwanken von Tag zu Tag oder sogar von Minute zu Minute, um die Nachfrage (von denen, die versuchen, Dollar zu erhalten) und das Angebot (von denen, die Dollar für andere Währungen anbieten) in Einklang zu bringen.

Die Bestimmung der Wechselkurse in einem System flexibler Wechselkurse ist äußerst komplex. Der internationale Wert des Dollars könnte durch Faktoren wie die Nachfrage nach US-Vermögenswerten, die US-Handelsbilanz, die US-Zinssätze im Vergleich zu denen in der übrigen Welt, die US-Inflation und das US-Wachstum im Vergleich zu dem in der übrigen Welt, beeinflusst werden. Es sind so viele Faktoren beteiligt, dass noch kein Modell entwickelt wurde, das Wechselkursbewegungen zuverlässig vorhersagen kann.

Wichtig für unsere Analyse ist jedoch, dass eine Regierung bei einem schwankenden Wechselkurs nicht befürchten muss, dass ihr die Devisenreserven (oder Goldreserven) ausgehen kann. Aus dem einfachen Grund, dass sie ihre Landeswährung nicht zu einem festen Wechselkurs in ausländische Währungen umwandelt. Tatsächlich muss die Regierung überhaupt keinen Währungsumtausch versprechen.

In der Praxis halten Regierungen, die mit flexiblen Wechselkursen arbeiten, einen Bestand von Devisenreserven und bieten einen Währungsumtausch für ihre einheimischen Finanzinstitute an. Der Umtausch erfolgt jedoch zu den aktuellen Wechselkursen am Markt und dient nicht dazu, den Wechselkurs konstant zu halten.

Die Regierungen können auch in die Devisenmärkte eingreifen, um zu versuchen, den Wechselkurs in die gewünschte Richtung zu lenken. Auch durch makroökonomische Politikmaßnahmen (einschließlich der Geld- und Fiskalpolitik) können Regierungen versuchen, Einfluss auf die Wechselkurse zu nehmen. Manchmal funktioniert dies, manchmal nicht.

Der Punkt ist, dass Versuche den Wechselkurs zu beeinflussen, bei einem flexiblen Wechselkurs, diskretionär (optional) sind. Im Gegensatz dazu muss die Regierung bei einem festen Wechselkurs alles daransetzen, Wechselkursbewegungen zu unterbinden. Der schwankende Wechselkurs stellt sicher, dass die Regierung mehr Freiheit hat, andere Ziele zu verfolgen – wie die Aufrechterhaltung von Vollbeschäftigung, ein ausreichendes Wirtschaftswachstum und Preisstabilität.

Diese Diskussion werden wir in den kommenden Wochen fortsetzen. Ich werde dabei den Standpunkt vertreten, dass ein flexibles Währungssystem mehr politischen Spielraum bietet – nämlich die Fähigkeit, die nationale Fiskal- und Geldpolitik zu nutzen, um eigene politische Ziele zu erreichen. Im Gegensatz dazu verringert ein fester Wechselkurs den politischen Spielraum. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Regierung mit einem festen Wechselkurs gar keine inländische Wirtschaftspolitik betreiben kann. Es kommt auf die Situation an. Ein wichtiger Faktor wird sein, ob sie genügend Fremdwährung (oder Gold) ansammeln kann, um ihren Wechselkurs zu verteidigen.

Nächste Woche machen wir einen kurzen Abstecher und untersuchen das sogenannte „Warengeld“. Das System fester Wechselkurse, basierend auf dem Goldstandard, gehört noch nicht so lange der Vergangenheit an. Und während eines Großteils der letzten zwei Jahrtausende gaben die Regierungen Münzen mit Silber- und Goldgehalt aus. Viele setzen diese mit "Warengeld" gleich – ein Geldsystem, das angeblich auf Edelmetall basierte, in dem sich der Wert des Geldes am Gold- oder Silbergehalt der Münzen orientierte.

Wir werden jedoch zu einem überraschenden Ergebnis kommen. Selbst Münzen aus Gold und Silber sind in Wirklichkeit auch nichts anderes als Schuldscheine, die jedoch aus Metall bestehen. Sie sind keine Beispiele für Warengeld. Es handelt sich um souveräne Währungen.

Ich höre schon jetzt, wie bei den Goldstandardbefürwortern der österreichischen Schule die Zähne so hart klappern, dass ihre Füllungen zu wackeln drohen.


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