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Jobgarantie (JG) und makroökonomische Stabilität

Jeden Freitag veröffentlichen wir einen kurzen Beitrag von Randall Wray, der schrittweise eine umfassende Theorie aufbaut, wie Geld in souveränen Ländern "funktioniert". Die Beitragsserie entstammt der Einführung in die "Modern Monetary Theory" (MMT) von Randall Wray aus dem Jahre 2011 auf der Website „New Economic Perspectives“ und wurde von Michael Paetz und Robin Heber ins Deutsche übersetzt. Zudem wird Vorstandsmitglied Dirk Ehnts jeden Freitagabend von 19-20 Uhr auf Facebook Fragen zum Beitrag der Woche beantworten. Ihr könnt uns natürlich auch gerne Fragen über das Emailformular (unten auf dieser Seite) schicken.


Die JG-Beiträge der letzten Wochen haben viele Kommentare hervorgerufen. Ich habe mich bei meinen Antworten auf die Kommentare konzentriert, die sich mehr oder weniger direkt auf die aktuellen Beiträge beziehen. Ich kann verstehen, wenn einige ungeduldig sind, weil viele Fragen nicht beantwortet wurden. Allerdings betrafen viele dieser Fragen und Kommentare Themen, die noch behandelt werden.


Lassen Sie uns heute zu dem Feld der makroökonomischen Stabilität übergehen. Ich habe auf der ganzen Welt JG-Vorträge gehalten, und die beiden Haupteinwände, die vorgebracht werden, beziehen sich immer auf die Auswirkungen auf Inflation und Wechselkurse. Es scheint mir, dass diejenigen, die mit diesen Ängsten reagieren, dem Aufbau des Programms und den MMT-Argumenten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben.


Daher wird dieser Beitrag ganz allgemeine Antworten auf Fragen zur "Makrostabilität" geben. Wenn Sie das Folgende lesen, müssen Sie im Hinterkopf behalten, dass wir über ein Programm sprechen, das einen festen (aber periodisch anpassbaren) Lohn (plus Leistungen) zahlt, der zur Untergrenze in der Wirtschaft wird. Die Regierung tritt niemals gegen den privaten Sektor und bietet einen höheren Lohn an. Aber diejenigen, die aus dem privaten Sektor herausfallen, können jederzeit in die JG wechseln und den JG-Lohn erhalten.


Beachten Sie auch, dass wir das Programm auf das bestehende Wirtschaftssystem aufsetzen. Alle anderen Programme und Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung sind weiterhin verfügbar. Es wird nicht behauptet, dass die JG vollständig und allein Löhne, Preise und Wechselkurse stabilisieren wird, geschweige denn die private Nachfrage. Es wird den Konjunkturzyklus nicht von selbst "zähmen". Die Wall Street wird immer noch die gleichen verrückten Wetten abschließen und von Zeit zu Zeit Pleite gehen.


Unsere Behauptung ist lediglich, dass eine Wirtschaft mit einer JG stabiler sein wird als eine ohne die JG.


Und schließlich glauben wir nicht, dass die JG alle "Arbeitsmarkt"-Probleme löst. Aber sie bietet jedem, der es will, einen Arbeitsplatz zu einem Grundlohn. Das ist eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen System.


Wenden wir uns also den beiden Hauptthemen der Stabilisierung zu: Inflation und Wechselkurse. Nächste Woche setzen wir die Argumente fort.


Kritiker der Jobgarantie


Kritiker argumentieren, dass eine Arbeitsplatzgarantie inflationär wirken würde, indem sie eine Version des NAIRU-Phillips-Kurven-Ansatzes verwenden, wonach eine niedrigere Arbeitslosigkeit zwangsläufig eine höhere Inflation bedeutet. Einige argumentieren, dass die JG den Arbeitsanreiz verringern und die Kosten im privaten Sektor durch vermehrtes Drückebergertum erhöhen würde, da die Arbeitnehmer keine Angst mehr vor dem Verlust des Arbeitsplatzes hätten. Außerdem würden die Arbeitnehmer ermutigt, größere Lohnerhöhungen zu fordern. Einige argumentieren, dass das Programm so groß wäre, dass es unmöglich wäre, es zu verwalten; einige fürchten Korruption; andere argumentieren, dass es unmöglich wäre, nützliche Dinge für die Arbeiter zu finden. Es wurde argumentiert, dass eine nationale Jobgarantie zu teuer wäre und das Haushaltsdefizit auf einen unhaltbaren Pfad wachsen würde. Wir werden in den folgenden Abschnitten einige Antworten auf diese Kritikpunkte geben.


Fragen der makroökonomischen Stabilität


Dieser Unterabschnitt wird sich mit Fragen der makroökonomischen Stabilität befassen, wie z.B. der Lohn- und Preisinflation und den Wechselkursen. In den folgenden Beiträgen werden Fragen der Bezahlbarkeit und der Durchführbarkeit behandelt. (Fragen der Bezahlbarkeit sollten inzwischen für alle Leser recht einfach zu lösen sein; Fragen der Durchführbarkeit könnten schwieriger sein.)


Wie besprochen, würde das Programm eine feste (aber periodisch angepasste) Grundvergütung festlegen. Damit wird sichergestellt, dass der JG-Lohn die privaten Löhne nicht in eine Wettbewerbsspirale drückt. Ein solcher Lohn würde lediglich eine Untergrenze festlegen, unter die die Löhne im privaten Sektor nicht fallen können; er funktioniert also wie eine Untergrenze für Agrarrohstoffpreise - die nicht dazu führt, dass die Preise steigen, sondern nur verhindert, dass sie fallen.


In der Tat kann ein so konzipiertes JG -Programm als ein Pufferlagerprogramm betrachtet werden, das ähnlich wie das australische Wollpreisstabilisierungsprogramm funktioniert (ein australischer Befürworter der JG, William Mitchell, entwickelte seinen Vorschlag tatsächlich, nachdem er erkannt hatte, dass es ähnlich wie das Wollprogramm seiner Regierung funktionieren könnte). Die Regierung kauft Wolle, wenn der Marktpreis unter das Niveau fällt, welches gestützt werden soll, und verkauft Wolle, wenn der Marktpreis über dieses Niveau steigt. Das Programm stabilisiert die Wollpreise, um das landwirtschaftliche Einkommen und damit den Konsum derjenigen zu stabilisieren, die Schafe züchten.


Wenn Sie keine Schafe mögen, denken Sie an Mais. Das Problem mit Schafen und Mais ist, dass es niemanden außer den Bauern interessiert, ob Schafe und Mais voll beschäftigt sind. Warum also nicht Arbeit? Wie wäre es mit einem Pufferlagerprogramm für Menschen, die Arbeit wollen? Das war die Logik, die Bill Mitchell dazu brachte, über eine JG nachzudenken.


Im JG-Programm bietet die Regierung einen Mindestpreis für Arbeit an und zahlt den Programmlohn an die Teilnehmer. Die Regierung "verkauft" die Arbeitskraft zu einem Preis, der über der JG -Lohn liegt, an Firmen (und nicht-JG-Arbeitgeber der Regierung). Genau wie im Fall eines Mindestpreises für Wolle kann ein Mindestpreis für Arbeit keinen direkten Inflationsdruck auf den Marktlohn erzeugen.


Solange der Pufferbestand an Arbeitskräften groß genug ist, wird er dazu beitragen, den Druck des Marktes auf die Löhne einzudämmen, wenn die Regierung in einer Hochkonjunktur Arbeitskräfte "verkauft". Da Arbeit ein Input für die gesamte Produktion ist, werden die Produktionskosten in dem Maße, in dem die Löhne durch das Programm stabilisiert werden, auch stabiler sein. Oben haben wir festgestellt, dass das Einkommen und damit der Konsum der Wolllieferanten durch einen Wollpufferbestand stabilisiert wird; Die JG wird direkt das Einkommen und den Konsum der Programmarbeiter stabilisieren, und wenn andere Löhne und Einkommen aufgrund des Programms ebenfalls stabiler werden, wird dies die makroökonomische Stabilität zusätzlich erhöhen.


Kritiker befürchten, dass die Existenz des Programms die Arbeiter ermutigt höhere Löhne zu fordern, was zu steigenden Inflationsraten führen wird. Es gibt jedoch zwei Gründe zu bezweifeln, dass dieser Effekt groß sein wird. Erstens wird ein effektiver Arbeitskräftepuffer tendenziell die Lohnforderungen dämpfen, weil die Arbeitgeber immer die Möglichkeit haben, aus dem Pool einzustellen, wenn die Lohnforderungen der Nicht-JG-Arbeiter zu hoch sind. Die Preisforderungen der Wolllieferanten werden durch den Pufferbestand der Regierung an Wolle gedämpft; selbst hartnäckige Wolllieferanten können die Wollpreise nicht allzu stark über den Verkaufspreis der Regierung anheben.


Der zweite Grund zu bezweifeln, dass hartnäckige Arbeiter höhere Lohnforderungen stellen werden, ist, dass die Kosten eines Arbeitsplatzverlustes umso höher ausfallen, je weiter ihre Löhne über den JG -Lohn steigen. Wenn der JG-Lohn 10 Dollar pro Stunde beträgt, kann es durchaus sein, dass Nicht-Programmarbeiter, die 10,50 Dollar pro Stunde verdienen, ermutigt werden, 10,75 Dollar zu fordern. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie in den Folgejahren immer höhere Löhne fordern, nur weil sie auf einen JG-Job mit 10 Dollar pro Stunde zurückgreifen können. (Bitte beachten Sie, dass die hier verwendeten Zahlen lediglich der Veranschaulichung dienen. Sie stellen keinen Vorschlag für einen JG-Lohn von zehn Dollar in Österreich, Kanada oder Amerika dar). Die Kosten für den Verlust eines Arbeitsplatzes von 15 Dollar pro Stunde sind nicht dieselben wie die Kosten für den Verlust eines Arbeitsplatzes von 10,50 Dollar pro Stunde.


Natürlich ist es sehr schwer, alle möglichen Auswirkungen abzusehen, aber es ist nicht zu erkennen, dass die JG die Arbeitnehmer mehr begünstigt als die Arbeitgeber - oder umgekehrt.


Wie ich bereits letzte Woche sagte, könnten die "schlimmsten Arbeitgeber in Amerika", die derzeit weit unter einem existenzsichernden Lohn zahlen, gezwungen sein, die Löhne zu erhöhen oder das Geschäft aufzugeben.


Ich kann nicht erkennen, dass das eine schlechte Sache ist.


Was ist mit Wechselkurseffekten?


Ein verwandtes Argument betrifft den Wechselkurs: Wenn Arbeitsplätze geschaffen werden, die den Armen ein Einkommen verschaffen, wird der Konsum steigen, einschließlich der Käufe von Importen. Dies wird das Handelsbilanzdefizit verschlimmern, die Währung abwerten und möglicherweise zu einer Beschleunigung der Inflation durch einen "Durchlauf"-Effekt (Pass-Through) des Wechselkurses führen (die Importpreise steigen, wenn die Währung abwertet, was zur Inflation des Preisniveaus des inländischen Warenkorbs beiträgt). Mit anderen Worten: Arbeitslosigkeit und Armut werden als Kosten für die Aufrechterhaltung nicht nur einer niedrigen Inflation, sondern auch des Wertes der Währung angesehen.


Hierzu können zwei Arten von Antworten gegeben werden. Die erste ist ethischer Natur. Sollte eine Nation versuchen, makroökonomische Stabilität aufrechtzuerhalten, indem sie einen Teil ihrer Bevölkerung so arm hält, dass sie sich keinen Konsum leisten kann? Allgemeiner gefragt: Sind Arbeitslosigkeit und Armut ein akzeptables politisches Instrument, das zur Aufrechterhaltung der Währungsstabilität eingesetzt werden kann? Gibt es andere Instrumente, um diese Ziele zu erreichen? Wenn nicht, sollten die politischen Entscheidungsträger eine gewisse Währungsabwertung in Kauf nehmen, um Arbeitslosigkeit und Armut zu beseitigen?


Es gibt starke ethische Argumente gegen die Verwendung von Armut und Arbeitslosigkeit als primäre politische Instrumente zur Erreichung von Preis- und Wechselkursstabilität. Und selbst wenn Währungsstabilität sehr erwünscht ist, ist es zweifelhaft, dass man sie als Menschenrecht begründen kann.


Wir können aber schon die Annahme in Frage stellen, dass das Programm tatsächlich die Preis- und Währungsstabilität bedroht. Um das klarzustellen, müssen wir nicht behaupten, dass das Programm keine Auswirkungen auf einen bestimmten Preisindex (wie den Verbraucherpreisindex) oder auf den Wechselkurs hätte. Stattdessen argumentieren wir, dass das JG -Programm einen Anker für den in- und ausländischen Wert der Währung darstellt und somit tatsächlich die makroökonomische Stabilität erhöht.


Wie oben argumentiert, wird die JG keine inländische Inflation verursachen, obwohl es zu einem einmaligen Lohn- und Preisanstieg führen kann, je nachdem, wo der Lohn (und das Leistungspaket) festgelegt wird. In ähnlicher Weise kann eine JG, wenn es das Einkommen erhöht, zu einem einmaligen Anstieg der Importe führen. Selbst wenn der Wechselkurs als Reaktion darauf fällt (und selbst wenn es eine gewisse Durchlauf-Inflation gibt), wird der stabile Lohn eine Lohn-Preis-Spirale verhindern. Wenn eine Nation nicht bereit ist, zuzulassen, dass ihr Handelsbilanzdefizit mit steigender Beschäftigung und steigendem Einkommen im JG-Programm ansteigt, stehen ihr immer noch alle politischen Instrumente zur Verfügung, mit der einzigen Ausnahme, die Armen und Arbeitslosen zu zwingen, die gesamte Last zu tragen. Mit anderen Worten: Sie kann immer noch Handelspolitik, Importsubstitution, Luxussteuern, Kapitalverkehrskontrollen, Zinspolitik, Umsatzsteuern usw. einsetzen, um den Druck auf die Wechselkurse zu minimieren, wenn er entstehen sollte.

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