Jeden Freitag veröffentlichen wir einen kurzen Beitrag von Randall Wray, der schrittweise eine umfassende Theorie aufbaut, wie Geld in souveränen Ländern "funktioniert". Die Beitragsserie entstammt der Einführung in die "Modern Monetary Theory" (MMT) von Randall Wray aus dem Jahre 2011 auf der Website „New Economic Perspectives“ und wurde von Michael Paetz und Robin Heber ins Deutsche übersetzt. Zudem wird Vorstandsmitglied Dirk Ehnts jeden Freitagabend von 19-20 Uhr auf Facebook Fragen zum Beitrag der Woche beantworten. Ihr könnt uns natürlich auch gerne Fragen über das Emailformular (unten auf dieser Seite) schicken.
Von L. Randall Wray
Wie bereits erwähnt, haben Kritiker argumentiert, dass das Programm so groß werden könnte, dass es nicht mehr zu bewältigen wäre. Die Zentralregierung hätte Schwierigkeiten, den Überblick über alle Programmteilnehmer zu behalten und sicherzustellen, dass diese mit sinnvollen Projekten beschäftigt sind. Schlimmer noch, Korruption könnte zu einem Problem werden, da die Projektmanager Gelder veruntreuen würden. Wir werden heute kurz auf einige Maßnahmen eingehen, die zur Verbesserung der Verwaltung eines JG-Programms eingesetzt werden können.
Erstens ist es nicht notwendig, dass die nationale Regierung die Inhalte des Programms formuliert und durchführt. Es kann in hohem Maße dezentralisiert geplant und erbracht werden - von der Landesregierung oder den Kommunen, lokalen gemeinnützigen Organisationen, Park- und Erholungseinrichtungen, Schulbezirken und Arbeitergenossenschaften. Die Gemeinden vor Ort könnten Projekte vorschlagen, die dann von lokalen Behörden durchgeführt werden. Die Beteiligung der nationalen Regierung könnte sich auf die Bereitstellung von finanziellen Mitteln und - vielleicht - die Genehmigung von Projekten beschränken. Das ist die Art und Weise, wie das argentinische Programm und bis zu einem gewissen Grad auch das neue Programm in Indien durchgeführt wird.
Natürlich ist der Grad der Dezentralisierung von Land zu Land und sogar von Region zu Region unterschiedlich. In einigen Entwicklungsländern gibt es vielleicht keine Alternative zur Zentralregierung - es gibt vielleicht nur wenige einheimische gemeinnützige Organisationen, und die staatlichen Stellen aufm lokaler Ebene sind vielleicht zu ineffektiv (aus einer Vielzahl von Gründen). In einigen Industrieländern ist die Zentralregierung vielleicht kompetent und angesehen genug, um das gesamte Programm durchzuführen. In einem Land wie den USA ist das Misstrauen gegenüber der Zentralregierung vermutlich aber zu groß - aber zum Glück gibt es in den USA Hunderttausende von lokalen Alternativen in Form von gemeinnützigen Organisationen und lokalen staatlichen Stellen.
Um die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass Gelder veruntreut werden, könnte die nationale Regierung die Löhne direkt an die Programmteilnehmer auszahlen. Dies kann durch die Verwendung von so etwas wie einer Sozialversicherungsnummer erleichtert werden - und durch die direkte Zahlung auf ein Bankkonto, ähnlich wie Sozialversicherungsprogramme die Rente auszahlen. Wenn die Projektmanager nie an die staatlichen Gelder herankommen, wird es schwierig sein, sie zu veruntreuen. Sicherlich wird es einige Fälle von Betrug geben, wie z.B. die Zahlung an eine Sozialversicherung von jemandem, der nicht arbeitet oder der verstorben ist. Transparenz ist eine Möglichkeit, Korruption zu bekämpfen – z.B. in Form einer öffentlichen Auflistung aller Beteiligten und aller Zahlungen, z.B. durch Nutzung des Internets, mit Belohnungen für Hinweisgeber (Whistleblower). Argentinien nutzte das Internet auf diese Weise.
Zwar geht dies zu Lasten der Privatsphäre, da Teilnahme und erhaltene Einkünfte veröffentlicht werden, aber das wird wahrscheinlich durch das öffentliche Interesse aufgewogen. Sogar in den USA ist es üblich, die Löhne und Gehälter von Angestellten des öffentlichen Dienstes transparent zu machen. Da die JG nach unserer Definition die Zahlung einheitlicher Löhne und Sozialversicherungssansprüche vorsieht, gibt es keine Unterschiede - alle Vollzeitbeschäftigten erhalten den gleichen Betrag -, so dass es weniger Potenzial für Peinlichkeiten gibt. Außerdem gibt es im Gegensatz zu Sozialleistungstransfers keine Bedürftigkeitsprüfung. Wie bereits in einem früheren Beitrag erwähnt, wird die Teilnahme an der JG in dem Maße, in dem es für junge Menschen (und in der Tat für Menschen jeden Alters) zu einer Art "Initiationsritus" wird, nicht unbedingt zu einer Belastung für die Arbeitnehmer.
Zur Deckung der Verwaltungs- und Materialkosten könnte die nationale Regierung einen Teil dieser Kosten übernehmen. Bei direkten Arbeitsbeschaffungsprogrammen ist ein Betrag in Höhe von 25% der Lohnsumme üblich. Je höher die Zahlung ist, desto größer ist der Fehlanreiz für Projektmanager, Projekte nur ins Leben rufen, um an Gelder zu kommen. Aus diesem Grund sollte die Übernahme dieser Kosten gering gehalten werden. Und auch hier sollten all diese Zahlungen transparent und öffentlich zugänglich sein - veröffentlicht im Internet.
Es ist zwar verlockend, private gewinnorientierte Arbeitgeber in ein solches Programm einzubeziehen, aber die Fehlanreize sind noch größer. Ein privater Arbeitgeber könnte Mitarbeiter durch JG - Mitarbeiter ersetzen, um die Lohnkosten zu senken. Arbeiterkooperativen könnten besser funktionieren. Eine Gruppe von Arbeitern könnte ein Projekt vorschlagen, das die Produktion von Waren oder Dienstleistungen für den Verkauf auf Märkten vorsieht. Das JG-Programm könnte einen Teil der Löhne für einen bestimmten Zeitraum (z.B. ein Jahr) bezahlen, danach müsste die Kooperative selbsttragend werden. Wenn sie nicht auf eigenen Füßen stehen könnte, müssten die Arbeiter in reguläre JG-Projekte wechseln. (Auch hier liefert Argentinien ein nützliches Beispiel für erfolgreiche Kooperativen im Rahmen des Jefes-Programms).
Offensichtlich gibt es noch viele weitere Fragen des Managements, die es zu untersuchen gilt. Es gibt viele Beispiele aus der realen Welt für direkte Arbeitsbeschaffungsprogramme, die von der Regierung finanziert werden. Wir können aus gemachten Fehlern lernen. Die Programme müssen an die spezifischen Bedingungen jeder Nation angepasst werden. Es wird viele Versuch-und-Irrtum-Experimente geben. Einer der Vorteile der Dezentralisierung ist, dass das gesamte Programm nicht durch das Scheitern einiger Experimente beeinträchtigt wird.
Sehen Sie es einmal so. Wir wissen, dass die meisten neuen gewinnorientierten Unternehmen es nicht schaffen. Firmen scheitern jeden Tag. Dennoch wird das "Marktsystem" nicht durch diese erfolglosen Experimente beeinträchtigt. Man sagt sogar, das sei das Schöne am "Wettbewerbssystem" - Verlierer werden bestraft. Wir sollten unsere Regierung an einem höheren Standard messen - und tun dies auch. Wir werden niemals eine Misserfolgsrate von 50% oder 75% in der Regierung billigen, auch wenn wir solch düstere Ergebnisse im privaten Sektor akzeptieren - ja sogar begrüßen -. Wir schließen bereitwillig die Augen bei allen sozialen Kosten, die durch unternehmerische Misserfolge entstehen (einschließlich derer, die Arbeitnehmern auferlegt werden, die aufgrund von Fehlern des Managements ihren Arbeitsplatz verlieren), in dem Glauben, dass die relativ wenigen Erfolge dies kompensieren.
Wir sollten die gleiche Einstellung zu JG-Projekten haben - wenn auch mit der Erwartung einer viel geringeren Misserfolgsrate. Wir wissen, dass die ideologischen Gegner jeden einzelnen Fehler aufgreifen werden, also müssen wir viele, viele Erfolge haben, um ihnen zu begegnen.
Dennoch werden einige JG-Projekte nicht erfolgreich sein - in Bezug auf die Schaffung von nützlichen Arbeitsplätzen, die gesellschaftlich nützlichen Output hervorbringen. Einige werden niedrige Übergangsraten von Arbeitnehmern aus dem Programm haben. Die Projektleiter müssen zur Verantwortung gezogen werden. Genauso wie die Projekte genehmigt werden müssen, bevor sie staatliche Mittel für JG-Arbeiter erhalten können, müssen sie Ergebnisse vorweisen, um weiterhin am JG-Programm teilnehmen zu können. Betroffene (Arbeiter und Gemeinden, die unterstützt werden) müssen Teil des Evaluierungsprozesses sein. JG-Arbeiter müssen die Möglichkeit haben, die Arbeit in schlecht geführten Projekten zu beenden, um sich eine erfüllendere Arbeit in anderen JG-Projekten zu suchen.
In Gesellschaften wie den USA gibt es ein Vorurteil, dass der "Markttest" der beste Weg sei, um erfolgreiche von erfolglosen Firmen zu unterscheiden. Doch wie alle Ökonomen wissen, funktioniert der Markt in vielen wichtigen Bereichen nicht gut: bei öffentlichen Gütern und in anderen Fällen, in denen sich die sozialen Vorteile und Kosten nicht in den Marktpreisen widerspiegeln. Selbst unter den günstigsten Umständen ist "Markteffizienz" nicht gleichbedeutend mit "sozialer Effizienz".
In jeder Volkswirtschaft gibt es weite Bereiche, in denen die sozialen Kosten gesenkt und der soziale Nutzen verbessert werden können, indem Leistungen "außerhalb des Marktes" bereitgestellt werden - durch gezieltes und organisiertes Handeln. Einiges davon ist die eigentliche Rolle der Regierung, einiges kann von der Regierung finanziert werden, und einiges kann völlig ohne Regierung geschehen. Aber es gibt keine Rechtfertigung für den Glauben, dass der Markt "alles kann" und dass der Markttest der einzige Test für den Nutzen ist.
Dazu werde ich in einigen Wochen noch mehr sagen. In Wahrheit brauchte jedes erfolgreiche Unternehmen Hilfe. So etwas wie einen "Self-Made-Man" (oder eine Self-Made-Frau) gibt es nicht. Und jedes gescheiterte Unternehmen hat die Hilfe der Regierung und der Gesellschaft im Allgemeinen zumindest bis zu einem gewissen Grad vergeudet.
Also, ja, Probleme werden in jedem JG-Programm in der realen Welt auftauchen; einige davon sind vorhersehbar und andere werden uns überraschen. Es wird Misserfolge geben. Es wird einige Verschwendung geben. Das Programmdesign wird immer wieder angepasst werden müssen. Es wird ein Element von Versuch und Irrtum geben.
Was man aber immer im Hinterkopf behalten muss, ist, dass die Alternative - die Arbeitslosigkeit - wohl eine weitaus größere soziale Verschwendung darstellt.
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