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Der Geldschöpfungsprozess: das Versagen der Lehrbücher

Der Aufsatz der Bundesbank mit dem Titel "Die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbank im Geldschöpfungsprozess", der in dem Monatsbericht April veröffentlicht wurde (hier), bestätigt im Wesentlichen das, was die Pufendorf-Gesellschaft für politische Ökonomie e. V. ebenfalls vertritt. Der wesentliche Absatz aus dem Aufsatz ist folgender (Hervorhebung durch mich):


Bereits die rein buchungstechnische Betrachtung der Entstehung von (Buch-)Geld verdeutlicht, dass die Kredit- und Geldschöpfung das Ergebnis komplexer Interaktionen zwischen Banken, Nicht- banken und Zentralbank ist. Dabei hängt die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben und Geld zu schaffen, nicht davon ab, ob sie bereits über freie Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen. Vielmehr wird der Geldschöpfungsprozess durch eine Reihe von ökonomischen und regulatorischen Faktoren begrenzt. Bankseitig findet die Geldschöpfung ihre Grenzen im Ertrags-Kosten-Kalkül der einzelnen Banken sowie in mikro- und makroprudenziellen Regulierungsvorschriften. Darüber hinaus wird deutlich, dass auch die Kreditnachfrage und das Portfolioverhalten der Nichtbanken die Geldschöpfung beschränken. Die Zentralbank beein usst den Geld- und Kreditschöpfungsprozess in normalen Zeiten über die Zinspolitik, die über verschiedene Transmissionskanäle auf die Finanzierungs- und Portfolioentscheidungen der Banken und Nichtbanken wirkt. 


Diese Beschreibung der Geldschöpfung kollidiert mit dem, was in den Lehrbüchern der Makroökonomie steht. Hier ist ein Ausschnitt aus dem sehr beliebten und häufig benutzten Lehrbuch von Gregory Mankiw (Link):


Dieser Aufbau ist didaktisch interessant, es wird also erstmal eine Welt nur mit Bargeld und ohne Giralgeld betrachtet, in der also die Einlagen in den Banken wirklich nur Scheinchen sind, gegen die die Kunden an ihr Bargeld kommen. Dies ist zwar unrealistisch, weil es staatliches Geld erst seit relativ kurzer Zeit gibt (beispielsweise erst seit dem frühen 20. Jahrhundert für moderne Ökonomien wie die USA) und es vorher auch schon Schulden gab und Steuern, aber das ignorieren wir jetzt einfach mal. Weiter geht es bei Mankiw so:


An dieser Stelle allerdings beißt sich das Lehrbuch mit dem, was die Bundesbank schreibt. Noch mal zur Erinnerung der von mit fett hervorgehobene Satz aus dem Artikel der Bundesbank:

Dabei hängt die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben und Geld zu schaffen, nicht davon ab, ob sie bereits über freie Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen.

Banken können also Kredite vergeben, ohne dass sie vorher über Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen. Das sieht bei Mankiw anders aus. Seine Bank hat sogar beides: Zentralbankguthaben (bei Mankiw Reserven genannt) und Einlagen (der Sparer). Laut Mankiw "wollen wir nun davon ausgehen, daß Banken einen Teil ihrer Einlagen zur Vergabe von Krediten verwenden". Genau dies jedoch ist falsch. Wie der Name Kreditschöpfung schon sagt, wird ein Kredit geschöpft, und nicht aus alten Kredit recycelt. Banken vergeben also erst Kredite und besorgen sich danach die nötigen Reserven. Die Kausalität verläuft also genau entgegen gesetzt zu dem, was im Lehrbuch steht: Durch die steigende Menge an Krediten verfügen Banken über mehr Sicherheiten, gegen die sie von der Zentralbank Reserven leihen können, sofern sie welche benötigen.


Die Betonung der Faktoren, welche den Geldschöpfungsprozess begrenzen, bedarf der weiteren Diskussion, die aber nicht an dieser Stelle geführt werden soll. Wichtig ist die Anerkennung der Rolle der Kreditnachfrage als Bestimmungsfaktor des Geldschöpfungsprozesses. Somit wird auch deutlich, dass bei niedriger Kreditnachfrage der Geldschöpfungsprozess ins Stolpern gerät, so wie wir das in den Jahren seit 2008/09 gesehen haben. Dieses Thema werden wir später wieder aufgreifen.


An dieser Stelle stellen wir fest, dass der Großteil der Lehrbücher der Makroökonomie in den Universitäten unvereinbar ist mit dem, was neben der Pufendorf-Gesellschaft auch die Bundesbank nun vertritt (und wohl vorher in großen Teilen auch vertrat, aber nie so deutlich sagte). Allerdings bleiben auch im Aufsatz der Bundesbank noch wesentliche Punkte, die wir bei der Pufendorf-Gesellschaft betonen, noch unbeleuchtet. Dazu werden wir in den kommenden Wochen wieder etwas schreiben.


Studierenden an deutschsprachigen Universitäten können wir nur empfehlen, ihre DozentInnen auf die Problematik hinzuweisen und eine Beschäftigung mit der Geldschöpfung zu verlangen, die eine realistische Beschreibung der Funktionsweise des Geldsystems bietet. Auf unserer Homepage finden sich für Interessierte weitere Literaturhinweise und Materialien.


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