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Eine Stadt als Steuerquelle?


Die Presse berichtet über eine Stadt in Saudi-Arabien, die am Reißbrett entworfen wurde und jetzt in die erste Bauphase geht. Die Stadt, angesiedelt im äußersten Nordwesten des Landes, wird weder Straßen noch Autos haben, dafür aber eine superschnelle U-Bahn: "The Line". Kostenpunkt: 200 Mrd. US-Dollar. Allerdings soll dieses Geld schnell wieder eingespielt sein:


Das Vorhaben steht für den Plan des 35-jährigen Kronprinzen, die Monarchie in eine Zukunft nach der Öl-Ära zu führen. Der Umstieg rechnet sich, sagt die saudische Regierung: Schon in zehn Jahren soll „The Line“ fast 50 Milliarden Dollar für den Staatshaushalt generieren.


Diese Idee verwundert. Die Währung von Saudi-Arabien ist der Saudi-Riyal. In ihrer eigenen Währung kann die Regierung von Saudi-Arabien alle Zahlungen über die eigene Zentralbank tätigen. Warum sollte sie darauf angewiesen sein, Steuern zu generieren? Und vor allem, warum sollen jährlich 50 Mrd. US-Dollar fließen? Eventuell ist hier den Journalisten etwas durchgerutscht, denn Steuerzahlungen in Saudi-Arabien werden sicherlich nicht in US-Dollar getätigt sondern in der eigenen Währung. Es geht also um Steuerzahlungen in Höhe von umgerechnet 50 Mrd. US-Dollar jährlich. Das ist ein kleiner aber feiner Unterschied.


Es bleibt aber immer noch das Rätsel, warum der Staat seine Städte als Steuerquellen ansehen sollte. Schließlich ist es ja so, dass der Staat mit seinen Ausgaben erst das Geld in Umlauf bringt, was später die Steuerzahler dann für ihre Steuerzahlungen nutzen. Insofern braucht der Staat seine Städte ja gar nicht als Geldquelle – er hat ja dafür schon seine Zentralbank. Diese hat auch das Monopol auf die Währung. Die Städte hingegen dürfen keine neue Währung in Umlauf bringen.


Ähnlich wie der Kinobetreiber seine Tickets selbst in Umlauf bringt und nicht darauf wartet, dass die Kinobesucher ihm diese bringen, ist auch der Staat nicht darauf angewiesen, dass Steuern an ihn fließen. Ganz im Gegenteil: befinden sich die Saudi-Riyal in der "Staatskasse" des Finanzministeriums sind sie komplett wertlos, ähnlich wie ein abgerissenes Kinoticket. Schließlich ist ein Saudi-Riyal ja ein Geld, mit welchem Schulden gegenüber dem Staat (Steuern) bezahlt werden können. Da der Staat keine Zahlungen an sich selbst tätigt, ist das Papiergeld in seinem Besitz wertlos. Ob er dann bei den nächsten Zahlungen alte Papiergeldscheine wiederverwendet oder neue druckt ist ja ... Moment mal! Der Staat tätigt seine Zahlungen ja über die Zentralbank, da wird ja gar kein Geld gedruckt.


Die Idee, die Städte einer Nation als Steuerquellen anzusehen, beruht also auf irrigen Annahmen. Wichtiger ist es, und das ist ja auch ein wesentlicher Teil des Städtebauprojekts in Saudi-Arabien, lebenswerte und nachhaltige Städte zu bauen für die Bürgerinnen und Bürger. Was dies anbelangt kann auch "The Line" ein Erfolg werden.

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