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Die schwäbische Hausfrau und das schwedische Königreich – ein Vergleich


Schwäbische Hausfrau vs. schwedisches Königsreich

Am 1. 4. 2019 erschien in der FAZ ein Artikel mit dem Titel „Nichts gegen die schwäbische Hausfrau“. Laut Unterüberschrift sei „Schulden machen [..] eine gefährliche Sache. Der Staat sollte sich da zurückhalten.“ In dieser Replik wird aufgezeigt, dass die Übertragung von Moral und Verhalten einer schwäbischen Hausfrau auf das Verhalten einer nationalen Regierung wie dem schwedischen Königreich nicht angebracht ist. Warren Mosler trägt übrigens am Sonntag, dem 12. Mai, zu genau diesem Thema in Berlin vor. Seine. Veranstaltung hatten wir bereits hier angekündigt.


Die schwäbische Hausfrau ist älter als 18 Jahre und lebt allein. Eventuell ist oder war sie verheiratet und hat Kinder, aber darüber erfährt man nicht viel. Sie hat als Bürgerin Deutschlands Rechte und Pflichten, die u. a. im Grundgesetz festgeschrieben sind. Sie ist, was das Wirtschaftliche anbelangt, im Wesentlichen für sich selbst verantwortlich.


Das schwedische Königreich ist älter als 500 Jahre und hat heute mehr zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger. Schweden hat vier Grundgesetze und ist eine parlamentarische Erbmonarchie. Zentralbank und Regierung sind angehalten, die Inflation in angemessenen Rahmen zu halten, nachhaltiges Wachstum zu fördern und einen hohen Beschäftigungsstand zu erzeugen.


Die schwäbische Hausfrau kann ein Einkommen erwirtschaften oder bezieht Transfers, gegebenenfalls von ihrem Ehepartner (oder ihrer Ehepartnerin). Ihr Einkommen erzielt sie in Euros. Ausgaben kann sie bestreiten, wenn sie vorher Einnahmen erzielt hat. Sie ist Nutzerin der Währung.


Das schwedische Königreich ist Schöpfer der Währung. Der Staat muss erst schwedische Kronen ausgeben, damit Haushalte und Unternehmen Geld haben, um ihre Steuern damit zu zahlen. Der Staat bestimmt, in welcher Währung Steuern gezahlt werden. Er kann Steuereinnahmen nur generieren in der Höhe, in der er vorher Geld ausgeben hat.


Die schwäbische Hausfrau sieht Geld als Vehikel zum Kauf von Waren und Dienstleistungen an, als Vehikel zum Sparen, als Maßstab für Preisrelationen sowie als Recheneinheit. Sie nutzt es auch für Zahlungen.


Das schwedische Königreich sieht Geld als Steuergutschrift an, denn es verspricht den Bürgerinnen und Bürgern lediglich, dass ihr Geld für Zahlungen an den Staat akzeptiert wird. Durch die Bezahlung von Arbeitskräften und Material mit Steuergutschriften versorgt sich die Regierung mit Ressourcen.


Die schwäbische Hausfrau kann sich auch per Kredit verschulden. Sie unterschreibt einen Kreditvertrag und vespricht, die Darlehenssumme plus den Zins zurückzuzahlen. Auf das Geld, was sie heute zusätzlich hat, muss sie später verzichten, da sie Tilgungszahlungen leisten muss. Die Rückzahlung ist mit Risiko behaftet, denn eventuell reichen ihr Einkommen und ihr Vermögen nicht aus, um den Kredit zu tilgen.


Das schwedische Königreich kann sich nicht verschulden. Es kann auch daher seine Ausgaben nicht „auf Pump“ finananzieren oder sich das Geld „von zukünftigen Generationen“ borgen. Der Staat gibt, über seine Zentralbank, Geld aus. Die Banken leihen sich Geld von der Zentralbank und kaufen damit Staatsanleihen. Wenn der Staat das Geld ausgibt, dann landet es wieder bei den Banken. Diese zahlen die Kredite gegenüber der Zentralbank zurück.


Die schwäbische Hausfrau kann zahlungsunfähig werden und auch insolvent, wenn sie keine ausreichenden Einkommen erzielt. Schulden können ein Problem sein.


Das schwedische Königreich kann den Banken versprechen, dass die Zentralbank die Staatsanleihen jederzeit und vollumfänglich zum Nennwert aufkauft. Da die Zentralbank den Computer mit dem Kontensystem verwaltet, ist dieses Versprechen einfach zu halten. Schwedische Staatsanleihen sind also risikofrei, denn im Zweifelsfall kann man sie immer ohne Verluste an die Zentralbank verkaufen, die den Verkäufern das Geld auf ihrem Konto gutschreibt.


Die schwäbische Hausfrau schafft durch ihre Ausgaben keine zusätzliche Ersparnis bzw. kein zusätzliches Vermögen. Ihre Ausgaben führen zu Einkommen anderswo, also ermöglicht sie eine Erhöhung des Vermögens von jemand anders nur durch eine Reduktion ihres eigenen Vermögens in gleicher Höhe.


Das schwedische Königreich schafft durch seine Ausgaben eine zusätzliche Ersparnis bzw. zusätzliches Vermögen. Ihre Ausgaben führen zu Einkommen anderswo, ohne das das Einkommen von anderen durch Steuerzahlungen reduziert worden wäre. Der staatlichen Verschuldung entsprechen private Geldvermögen in gleicher Höhe.


Die schwäbische Hausfrau kann Schulden machen und je mehr Schulden sie hat, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie ihre Schulden zurückführen kann. Die Differenz zwischen Einkommen und Ausgaben erhöht ihre Schulden.


Das schwedische Königreich kann keine Schulden machen. Als Schöpfer des Geldes gibt es Steuergutschriften aus, welche über Steuern wieder eingezogen werden. Die Differenz zwischen Einkommen und Ausgaben erhöht die im privaten Sektor befindlichen Steuergutschriften.


Die schwäbische Hausfrau kann ihre Ausgaben erhöhen, aber dies führt wohl nicht zu mehr Beschäftigung. Die schwäbische Hausfrau orientiert ihre Ausgaben nicht an der Arbeitslosigkeitsrate.


Das schwedische Königreich kann seine Ausgaben erhöhen, was zu mehr Beschäftigung führt. Das schwedische Königreich richtet seine Ausgaben auch nach der Arbeitslosenrate. In Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit gibt das schwedische Königreich aufgrund der Sozialversicherungen automatisch mehr aus als in normalen Zeiten.


Die schwäbische Hausfrau ist mit ihren Ausgaben nicht verantwortlich für die Höhe der Arbeitslosigkeit. Gegeben die Ausgaben der anderen Haushalte und Unternehmen wird eine Veränderung ihrer Ausgaben nichts verändern.


Das schwedische Königreich ist mit seinen Ausgaben verantwortlich für die Höhe der Arbeitslosigkeit. Gegeben die Ausgaben der anderen Haushalte und Unternehmen wird eine Veränderung der Staatsausgaben die Arbeitslosigkeit reduzieren, die ansonsten deutlich höher wäre.


Die schwäbische Hausfrau kann ihre Arbeit anbieten, aber es ist nicht gesichert, dass sie auch eine Beschäftigung findet.


Das schwedische Königreich kann Arbeit nachfragen und dadurch Arbeitsplätze erzeugen.

Die schwäbische Hausfrau kann ihre Ausgaben einschränken, ohne dass dadurch die Wirtschaft zusammenbricht. Dadurch werden Ressourcen für eine andere Verwendung frei.

Das schwedische Königreich, wenn es seine Ausgaben reduziert aufgrund einer fehlgeleiteten Theorie der expansiven Austeritätspolitik, bringt die Wirtschaft an den Rand einer Rezession oder darüber hinaus. Freigesetzte Ressourcen werden nicht automatisch von anderen genutzt, was zu einem Einbruch der Produktion führen kann.


Die schwäbische Hausfrau ist nicht verantwortlich für die Bereitstellung von öffentlichen Gütern, die Finanzierung von Politikmaßnahmen, die das Gemeinwohl erhöhen, oder andere öffentliche Aufgaben.


Das schwedische Königreich ist verantwortlich für die Bereitstellung von öffentlichen Gütern, die Finanzierung von Politikmaßnahmen, die das Gemeinwohl erhöhen, oder andere öffentliche Aufgaben.


Die schwäbische Hausfrau könnte auf Dauer nicht über ihre Verhältnisse leben (mehr konsumieren als produzieren), da sie ihre Verschuldung nicht unbegrenzt steigern kann.


Das schwedische Königreich kann nicht über oder unter seine(n) Verhältnisse leben. Es kann durch seine Ausgaben die Ressourcen einsetzen, die verfügbar sind. Sind alle Ressourcen eingesetzt, kann das schwedische Königreich nur noch Ressourcen aus dem Privatsektor an sich ziehen. Der Normalzustand ist aber das Vorhandensein von ungenutzten Ressourcen (Arbeitskraft), deren Nichtnutzung zum Verfall der Arbeit führt. Der Staat lebt also, wenn überhaupt, normalerweise „unter seinen Verhältnissen“. Da die „Staatsschulden“ lediglich die momentan in Privatbesitz befindlichen Steuergutschriften sind, kann auch aus finanzieller Perspektive nicht davon gesprochen werden, dass der Staat „über seine Verhältnisse leben“ kann.


Die schwäbische Hausfrau spart gerne und viel. Das macht ihr heute aber überhaupt keinen Spaß, weil das Geld auf dem Konto ja weniger wird, da die Inflationsraten höher sind als die Zinsen.


Das schwedische Königreich kann gar nicht „sparen“ im Sinne von „später mehr ausgeben“, da er sein Geld kostenfrei schöpfen kann und daher immer so viel ausgeben kann wie er will. Die Zentralbank setzt die Zinsen nicht, um den Sparern mehr Geld zu verschaffen, sondern um die privaten Investitionen auf ein Niveau zu bringen, welches die Inflation in die gewünschte Richtung verändert. Zinssenkungen, so die Theorie, sollen Investitionen und damit die Inflationsrate erhöhen, Zinserhöhung beide reduzieren.


Wer folglich meint, dass sich das schwedische Königreich zu verhalten habe wie eine schwäbische Hausfrau, der sollte sich nicht wundern, wenn die Umsetzung von zweifellos gutgemeinten Vorschlägen in der Realität katastrophale Ergebnisse nach sich ziehen. Während das Sparen für eine Person eine Tugend sein kann, so ist es für den Staat meist ein Laster. Die Angst des Staates vor dem Geldausgeben sorgt also nicht für ein mehr an Tugend, sondern für soziale Probleme, Arbeitslosigkeit und die Vernachlässigung des Gemeinwesens.


(Bild von Oberholster Venita auf Pixabay, modifiziert mit schwedischer Flagge und Schriftzug "vs.")

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