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Was die Regierung tun sollte: Eine Einführung

Jeden Freitag veröffentlichen wir einen kurzen Beitrag von Randall Wray, der schrittweise eine umfassende Theorie aufbaut, wie Geld in souveränen Ländern "funktioniert". Die Beitragsserie entstammt der Einführung in die "Modern Monetary Theory" (MMT) von Randall Wray aus dem Jahre 2011 auf der Website „New Economic Perspectives“ und wurde von Michael Paetz und Robin Heber ins Deutsche übersetzt. Zudem wird Vorstandsmitglied Dirk Ehnts jeden Freitagabend von 19-20 Uhr auf Facebook Fragen zum Beitrag der Woche beantworten. Ihr könnt uns natürlich auch gerne Fragen über das Emailformular (unten auf dieser Seite) schicken.


In den kommenden Beiträgen werden wir uns der Frage zuwenden, was eine Regierung tun sollte. In diesen Beiträgen werden wir nur souveräne Regierungen behandeln, die ihre eigene Währung ausgeben und keiner Finanzierungsrestriktion unterliegen.


In diesen kommenden Beiträgen werden wir alternative Ansichten über die richtige Rolle einer Regierung untersuchen - vorausgesetzt, sie kann sich alles "leisten", was in ihrer eigenen Währung verkauft wird. Zunächst betrachten wir vier Gründe, warum die Staatsausgaben eingeschränkt werden sollten. Wir vergleichen und kontrastieren eine typische "konservative" mit einer "liberalen" Ansicht über den Umfang der Regierung. (Diese Begriffe werden im amerikanischen Sinne verwendet - sie sind etwas eigentümlich. In Amerika ist konservativ näher an dem, was man im Ausland "liberal" oder "neoliberal" nennt. Liberal in Amerika ist näher an "sozialdemokratisch" oder an "Arbeiterpartei" im Ausland.)


Wir werden ein Regierungsprogramm entwickeln, das mit der MMT-Sichtweise von staatlichem Geld vereinbar ist - eines, das die Prinzipien verwendet, die wir in den vorangegangenen Beiträgen erarbeitet haben, um das Problem der Arbeitslosigkeit auf eine Weise zu lösen, die sowohl mit der liberalen als auch mit der konservativen Sichtweise vereinbar ist - das ist der Ansatz des Arbeitgebers der letzten Instanz („employer of last resort“ = ELR) oder der Arbeitsplatzgarantie („Job Guarantee“ = JG). Ich werde diese Beiträge mit meiner eigenen Ansicht darüber abschließen, ob MMT den ELR/JG-Vorschlag beinhalten muss.


Warnung: Wenn wir darüber sprechen, was die Regierung tun sollte, gehen wir über eine bloße Beschreibung hinaus. Meine Ansichten darüber, was die Regierung tun sollte, müssen nicht von anderen akzeptiert werden, auch nicht von denen, die MMT vollständig verstehen. Ich werde politische Empfehlungen aussprechen, die mit der MMT vereinbar sind. Sie müssen sie nicht mögen; Sie können sich Ihre eigenen ausdenken. Ich werde zudem einen Beitrag einem „österreichischen Ansatz“ zur Politikgestaltung widmen, und seine Ziele werden sich von meinen eigenen unterscheiden.


Nur weil sich die Regierung Ausgaben leisten kann, heißt das nicht, dass sie diese auch tätigen sollte


Wenn man versteht, wie die Regierung Ausgaben tätigt, kommt man zu dem Schluss, dass die Bezahlbarkeit nicht wirklich das Problem ist - die Regierung kann sich immer die "Tastenanschläge" auf der Computertastatur leisten, die notwendig sind, um die gewünschten Ausgaben zu tätigen. Aber das bedeutet nicht, dass sie jede Ausgabe immer tätigen sollte. Wir können mehrere legitime Gründe für eine Begrenzung der Staatsausgaben aufzählen:

  • zu hohe Ausgaben können eine Inflation verursachen

  • zu hohe Ausgaben könnten den Wechselkurs unter Druck setzen

  • zu hohe Ausgaben der Regierung könnten zu wenig Ressourcen für die Privatwirtschaft übriglassen

  • die Regierung sollte nicht alles tun - die Auswirkungen auf Anreize könnten unvorhersehbar sein

  • Haushaltsplanung stellt einen Mechanismus dar, um Regierungsprojekte zu steuern und zu bewerten

Nehmen wir zum Beispiel an, die Regierung beschließt, 1000 Raketenwissenschaftler für eine Expedition zum Pluto neu einzustellen. Unsere erste Überlegung ist, ob 1000 Raketenwissenschaftler mit den notwendigen Fähigkeiten zur Verfügung stehen. Selbst wenn sich die Regierung ihren gewünschten Ausgabenplan leisten kann, bedeutet das nicht, dass sie ihre Mission erfüllen kann, wenn die Ressourcen nicht verfügbar sind. Mit anderen Worten, die Regierung steht immer vor einer "realen Ressourcen"-Beschränkung: Gibt es die Ressourcen und kann man sie kaufen oder mieten? Damit verbunden ist die Überlegung, ob die vorhandene Infrastruktur, Technologie und das Wissen ausreichen, um die Missionsziele zu erreichen. Das ist natürlich eine wichtige Frage. Gehen wir davon aus, dass diese Bedingungen erfüllt sind.


Die zweite Überlegung betrifft den Wettbewerb mit alternativen Verwendungsmöglichkeiten der Ressourcen, die sogenannten "Opportunitätskosten". Wenn diese 1000 Raketenwissenschaftler sonst arbeitslos wären, dann sind die Opportunitätskosten, sie für die Pluto-Mission einzustellen, gering oder gleich Null. (Wir könnten z.B. feststellen, dass sie, wenn sie nicht beschäftigt wären, ihre Kinder zu Hause betreuen würden, so dass die Opportunitätskosten für ihre Beschäftigung nicht bei null liegen, sondern dem Wert der entgangenen Kinderbetreuung entsprechen. Sie verstehen das Bild - es ist nicht wahrscheinlich, dass die Opportunitätskosten gleich Null sind, aber für arbeitslose Arbeitskräfte sind sie wahrscheinlich gering im Vergleich zu den Vorteilen einer Beschäftigung in geeigneten Jobs).


Noch wichtiger ist, dass viele oder die meisten von ihnen bereits arbeiten, entweder im privaten Sektor oder an anderen Regierungsprojekten. Da die Regierung nicht mit einer Beschränkung der Bezahlbarkeit konfrontiert ist, kann sie einen Bieterkrieg gegen den privaten Sektor gewinnen, wenn sie sich dazu entscheidet. In diesem Fall wird sie die Löhne von Raketenwissenschaftlern so hochtreiben, dass der private Sektor aufgibt und Arbeiter mit anderen Qualifikationen einstellt. Die Auswirkungen auf den privaten Sektor könnten komplex sein - wahrscheinlich führen sie zu höheren Löhnen, höheren Produktkosten und sogar zu einem geringeren Output in den Sektoren, die Raketenwissenschaftler und andere qualifizierte Arbeiter einsetzen, Raketenwissenschaftler bis zu einem gewissen Grad aber ersetzen können (vielleicht sind andere Arten von Ingenieuren für einige Zwecke fast genauso gut, so dass Firmen deren Löhne erhöhen). Zumindest könnte die Pluto-Mission zu Engpässen führen - relative Knappheit von Schlüsselressourcen - und einigen (vielleicht begrenzten) Preiserhöhungen. In diesem Fall muss die öffentliche Politik viel größere Opportunitätskosten für die Einstellung von Raketenwissenschaftlern berücksichtigen, weil man sie von einer anderen Beschäftigung abhält.


Darüber hinaus können andere Löhne und Preise durch Übertragungseffekte erhöht werden, wenn ein neues Regierungsprogramm so groß ist, dass es einen allgemeinen Bieterkrieg um Arbeitskräfte und andere Ressourcen auslöst. Während eines großen Krieges wie z.B. dem Zweiten Weltkrieg werden von der Regierung nicht nur Arbeiter für das Militär eingezogen, sondern es werden auch Ressourcen in die Produktion von militärischen Gütern umgelenkt. Ohne Rationierung und Lohn- und Preiskontrollen ist es relativ wahrscheinlich, dass dies zu einer allgemeinen Preis- und Lohninflation führt. Beachten Sie, dass es keinen großen Krieg braucht, um dies zu erreichen. Wenn die Staatsausgaben die Wirtschaft bis zur Vollbeschäftigung und darüber hinaus treiben, ist es wahrscheinlich, dass es auch ohne einen großen Krieg zu einer Inflation kommen wird. Gleichzeitig kann eine hohe inländische Beschäftigung und ein hohes Einkommen unter bestimmten Umständen zu einem Handelsdefizit führen (da die inländische Nachfrage nach Importen im Verhältnis zur ausländischen Nachfrage nach Exporten steigt - wie im vorherigen Beitrag beschrieben). Dies könnte dann die Wechselkurse unter Druck setzen (obwohl der Zusammenhang zwischen Handelsdefizit und Wechselkursabwertung alles andere als sicher ist).


Die Regierung kann es sich zwar leisten, mehr Geld auszugeben, muss aber die Konsequenzen abwägen, die sich daraus ergeben, dass Ressourcen von anderen (vielleicht wünschenswerteren) Verwendungszwecken abgezogen werden, sowie die möglichen Auswirkungen auf Preise und Wechselkurse.


Es gibt noch viele andere Gründe, die Staatsausgaben einzuschränken. Zum Beispiel argumentieren Konservative oft, dass Sozialausgaben Anreize auslösen oder beeinflussen. Ein starkes soziales Sicherheitsnetz könnte das Signal aussenden, dass der Einzelne nicht wirklich arbeiten muss, weil er immer gut genug von staatlichen Zuwendungen leben kann. Oder staatliche Rettungsaktionen für Unternehmen könnten das Management dazu ermutigen, übermäßige Risiken einzugehen, in dem Glauben, dass, egal was passiert, die Regierung die Verluste des Unternehmens decken wird.


Außerdem könnte eine korrupte Regierung Geld für Programme ausgeben, die Freunden helfen, sich aber weigern, etwas zur Unterstützung der Gruppen zu tun, die es mehr benötigen - was oft als Vetternwirtschaft bezeichnet wird. Es könnte also komplexe und sogar unbeabsichtigte Folgen von Regierungsprogrammen geben.


All das muss berücksichtigt werden, wenn man staatliche Ausgabenprogramme in Angriff nimmt - und negative Folgen geben Anlass zu berechtigten Bedenken über die Höhe der Staatsausgaben, nicht wegen der (un)möglichen Zahlungsunfähigkeit, sondern eher wegen unerwünschter (und unbekannter) Auswirkungen der staatlichen Programme.


Schließlich sollten Regierungen mit Budgets operieren, die eine Form von selbst auferlegter Beschränkung sind, und tun dies auch. Typischerweise weisen die gewählten Vertreter eine Summe zu, die für ein bestimmtes Projekt ausgegeben werden soll. Die Programm-Manager sind dann dafür verantwortlich, das Projekt innerhalb der budgetierten Summe durchzuführen. Eine Überschreitung des Budgets kann als Hinweis auf Missmanagement gewertet werden. Der Budgetierungsprozess trägt auch dazu bei, den Anreiz für eine schleichende Ausweitung des Projekts zu verringern, welche dazu dient, die Macht und das Prestige des Managers zu steigern. Mit anderen Worten: Die Budgetierung durch die souveräne Regierung stellt einen nützlichen Mechanismus für die Projektkontrolle und -bewertung dar.


Wir schließen diesen Abschnitt mit der Bemerkung ab, dass das Fehlen einer Bezahlbarkeits-Beschränkung nicht bedeutet, dass die Regierung ohne Hemmungen Geld ausgeben sollte. Wie wir im nächsten Beitrag erörtern werden, sollten die Ausgaben auf das Erfüllen öffentlicher Aufgaben ausgerichtet sein.

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