Traurig, aber wahr: Volkswirtschaftslehre, wie sie zumal in Deutschland üblicherweise an Universitäten unterrichtet wird, beruht auf einem terminologischen Kurzschluss, dessen fehlende Bewältigung grundsätzliche Zweifel daran erlaubt, dass es sich bei der Disziplin überhaupt um Wissenschaft handelt.
Die Rede ist natürlich vom „Sparen“.
Im normalen Sprachgebrauch bedeutet „Sparen“, dass Haushalte Geld zurücklegen, statt es für (so definierten: kurzfristigen) Konsum auszugeben (1).
In der Volkswirtschaftslehre bildet „Sparen“ den Gegenbegriff zu Ausgaben, die für den kurzfristigen Verbrauch (Konsum) getätigt werden.
Alle aus laufenden Einkommen einer Periode getätigten Verwendungen sind also entweder Konsumausgaben für kurzlebige Güter, die innerhalb der laufenden Periode verbraucht werden oder Nicht-Konsumausgaben für Verwendungen, die keinen Konsumdarstellen. „Nicht-Konsumausgaben“ umfassen also sowohl den Erwerb langlebiger Güter, die nicht innerhalb der laufenden Periode verbraucht werden, also Nicht-Konsumausgaben, als auch Nicht-Konsumausgaben, also Geldsparen (1). Zusammengefasst bezeichnen Nicht-Konsumausgaben also die Vermögensbildung (Sachwerte und Sparguthaben) der Einkommensbezieher.
Man schreibt:
Y = C + S(paren).
Alle produktionsseitigtatsächlich getätigten Ausgaben sind entweder Ausgaben für die Produktion von Konsumgütern oder für die Produktion von Investitionsgütern.
Man schreibt:
Y = C + I.
Weil die Gesamtausgaben der Volkswirtschaft in jeder der beiden Darstellungen identisch sind, kann man schreiben:
C + S(paren) = C + I,
woraus
S(paren) = I
folgt.
Ohne mathematische Herleitung kann man auch einfach sagen, dass sich jeweiligen Ausgaben/Verwendungen für Konsum entsprechen und daher die beiden verbleibenden Restgrößen(Investitionen auf der einen und Vermögensbildung = „Sparen“ auf der anderen Seite), bezogen auf die volkswirtschaftlichen Gesamtausgaben auf den gleichen Betrag lauten müssen.
Aus dieser notwendigen summenmäßigen Identität von Investitionsausgaben einerseits und Vermögensbildung („Sparen“) andererseits und der Verwendung des gleichenWortes („Sparen“) für nicht getätigte Ausgaben(1)leitet die Volkswirtschaftslehre ihr zentrales Dogma ab:
„Konsumausgaben der Haushalte und Investitionsausgaben der Unternehmen schließen einander derart aus, dass Unternehmen nur investieren können, soweit Haushalte auf Konsumausgaben verzichten. Das Geld, das die Haushalte nicht ausgeben, finanziert durch Vermittlung der Banken als Kredit die Investitionsausgaben der Unternehmen.“
Konsumverzicht als Voraussetzung für Investitionen?
Klar ist: Investitionen (wie überhaupt - direkt oder indirekt - die gesamte volkswirtschaftliche Produktion) dienen der Herstellung konsumierbarer Güter und zwar - im Zuge des Produktivitätszuwachses - immer mehr davon - und damit das funktioniert, sollen Haushalte auf Konsum verzichten? Konsumverzicht - insbesondere die Tatsache, dass Einkommensbezieher ihre Einkommen teilweise gar nicht ausgeben - soll also für den Absatz der Produzenten kein Problem, sondern die Lösung und Voraussetzung für Investitionen in die Erweiterung der Produktionskapazitäten sein? Logik sieht offenbar anders aus.
Und: Über die Absurdität der Vorstellung eines begrenzten Geldvorrats, der den Banken für ihre Kreditvermittlungstätigkeit von den Haushalten als Sparguthaben zur Verfügung gestellt werden muss, damit sie Kredite an Unternehmen vergeben können, müssen wir auf den Seiten der Pufendorf-Gesellschaft wohl nicht nochmal reden.
Deshalb unser Vorschlag zur Güte:
Streichen wir das Wort „Sparen“ in der oben dargestellten Formel Y = C + S und sprechen stattdessen von „Vermögensbildung“.
Aus
Y = C + I(nvestition)
und
Y = C + V(ermögensbildung)
wird
Betrag I(nvestition) = Betrag V(ermögensbildung)
und aus der VWL eine Wissenschaft.
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