Enrico Grazzini schreibt bei Social Europe, dass die „neue Lire“ als Parallelwährung in Italien eingeführt werden soll (Link). Was ist das? Eine allgemein akzeptierte Definition von Parallelwährung gibt es wohl nicht. Letztlich ist eine Parallelwährung eine Währung, die in einem Land genutzt wird für Transaktionen, für die man Geld nutzt. Dabei kann es sich um den Kauf von Gütern und Dienstleistungen handeln, das Horten von Ersparnissen, Zahlungen von Steuern und noch weiteres mehr. Eine Parallelwährung kann ausländischer Herkunft sein, muss es aber nicht. Theoretisch denkbar sind auch Parallelwährungen, die in derselben Einheit denominiert sind wie andere Währungen (z. B. US-Dollar oder Euro). Ob diese 1:1 in das „Original“ umtauschbar sind ist natürlich nicht garantiert, kann aber in der Praxis durchaus der Fall sein.
Spätestens im Mai 2018 sind in Italien Wahlen, und Berlusconi hat mit dem Vorschlag eine öffentliche Diskussion angestoßen. Der Hintergrund ist meiner Meinung nach nicht die Divergenz der TARGET2-Salden, wie es Harald Uhlig in der NZZ behauptet (Link: https://www.nzz.ch/finanzen/diskussionen-um-einen-rettungsring-fuer-den-euro-ld.1324883), die früher oder später kommende Normalisierung der Geldpolitik, die für viele Länder steigende Zinslasten bedeutet und damit wohl einen Einbruch der Nachfrage. Da dies zu einem Rückgang der Produktion und zu mehr Arbeitslosigkeit führt und in vielen Ländern das Problem der Arbeitslosigkeit bereits sehr ausgeprägt ist, wird nach politisch machbaren Alternativen gesucht. Die deutsche Bundesregierung, wie auch immer sie am Ende aussieht, wird wohl den französischen Reformvorschlägen nicht zustimmen. Dadurch wird jegliche Hoffnung auf eine europäische Lösung zunichte gemacht und nun suchen die WählerInnen halt nach nationalen Lösungen.
Mario Draghi sagt basta zu Parallelwährungen...
Das Problem bei der neuen Lire ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) der Monopolherausgeber des Euro ist und dieser die einzige erlaubte Währung. Berlusconi will aber nicht aus dem Euro austreten, insofern ist er schon wieder zurückgerudert. Mario Draghi hat das ganze nicht kommentiert, aber dem Estcoin – eine geplante virtuelle Währung in Estland – eine klare Absage erteilt: “I won’t comment on the Italian intention but I will comment on the Estonian decision: no member state can introduce its own currency. The currency of the euro zone is the euro.” (Link). Der Euro ist die Währung der Eurozone, basta!
... aber was ist mit Steuergutschriften?
J. D. Alt beschreibt die Einführung von Steuergutschriften durch die kommunale Verwaltung in Italien (Link). „The government issues a tax credit, and uses it to pay a citizen in exchange for the citizen’s services to the government“. Die Regierung gibt als eine Steuergutschrift heraus, bezahlt damit die BürgerInnen für ihre Leistungen an die Regierung. Die BürgerInnen akzeptieren das Geld, weil sie damit „echte“ Euros sparen. Jeder Euro, den ich nicht für Steuern ausgebe, erhöht meine Ersparnis und kann später für Konsum oder Schuldentilgung oder sonst etwas ausgegeben werden. Die Gesetzesgrundlage wurde 2014 eingeführt. Das Problem mit den Steuergutschriften ist: das ist Geld.
Was ist Geld? Das ist Geld!
Über die Definition von Geld lässt sich trefflich streiten, aber in der Eurozone ist eine wichtige Definition: Euros und damit Geld ist das, womit ich meine Steuern zahle. Das waren bis Ende 2001 D-Mark, danach Euros. In vielen Euroländern werden Steuern übrigens unbar bezahlt. Steuern werden meist per Überweisung gezahlt, wenn sie nicht schon vorher eingezogen worden sind (ebenfalls per Bankensystem). Die Bundesregierung hat ihr Konto – das Zentralkonto des Bundes – bei der Deutschen Bundesbank. Die Details stehen im Buch zum Thema „Geld und Kredit - eine €-päische Perspektive“ (Link), aber im Endeffekt zahlen wir unsere Steuern mit Guthaben bei der EZB. Diese werden durch die Banken gehalten, die entsprechend für jeden Euro an Bankeinlagen, mit dem wir unsere Steuern „zahlen“, an das Zentralkonto des Bundes einen Euro an Einlagen bei der Bundesbank überweisen.
Die Theorie der Steuergutschriften
Die Theorie der Steuergutschriften findet sich u. a. in einem Papier von Amato et al. aus dem vergangenen Jahr (Link, S. 13-15), welches auf einem Papier der Deutschen Bank (!) aufbaut. Die Steuergutschrift ist danach kein gesetzliches Zahlungsmittel, wird aber zum Nennwert für fiskalische Zahlungen angerechnet. Eine Parallelwährung für Griechenland beispielsweise – der gEuro – würde ziemlich sicher gut nachgefragt werden, da ja fast alle Steuern zahlen. Wenn jemand eine 100€-Steuergutschrift verkauft, dann wird der Preis sich bei knapp unter 100€ einpendeln. Das Vertrauen in die Steuergutschrift hängt schlicht davon ab, ob die Regierung die Steuerlast auch entsprechend verringert. Wenn sie das tut, dann wird auch die Steuergutschrift funktionieren. Der (griechische) Staat könnte so seine Ausgaben erhöhen, ohne seine Staatsverschuldung in Euro in die Höhe zu treiben. Er gibt ja nur Steuergutschriften heraus und verspricht keinerlei Rückzahlung an die BesitzerInnen.
Steuergutschriften in Italien?
Die Autoren des oben genannten Papiers weisen darauf hin, dass durch die zusätzliche staatliche Nachfrage kein Leistungsbilanzdefizit erzeugt werden sollte und dass die fiskalischen Regeln der Eurozone weiterhin einzuhalten sind. Weiterhin wird vorgeschlagen, dass der Einsatz von Steuergutschriften nicht auf Griechenland beschränkt bleibt sondern auch auf Länder wie Italien ausgeweitet werden könnte. Die zusätzliche staatliche Nachfrage in der Eurozone würde so steigen, da mehr Geld ausgegeben werden würde: die Empfänger von staatlichen Ausgaben haben höhere Einkommen, unabhängig davon, ob es sich um private Unternehmen handelt oder beim Staat angestellte Beschäftigte. Allerdings scheint es so, als ob der Vorschlag von Berlusconi für Italien keinerlei Bezug zu diesen Überlegungen hat. Von daher ist abzuwarten, wie sich in Italien die Parteien zur Zukunft der Eurozone und der von Italien stellen. Die wirtschaftspolitischen Programme werden sicherlich von vielen WählerInnen diskutiert werden, denn die Zukunft des Landes hängt davon ab. Das gilt auch für die italienischen Banken, die stark unter Druck stehen.
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